Vom Zwang zur Sanierung zur Förderchance

Ein Leitfaden für Altbaukäufer, die innerhalb von 24 Monaten Pflicht und Förderung unter einen Hut bringen wollen


1 Ein Altbau und die Zwei-Jahres-Frist

Als Sabine und Tom im Dezember 2023 den Kaufvertrag für ihren roten 70er-Jahre-Bungalow unterzeichneten, ahnten sie noch nicht, dass mit dem Grundbuch­eintrag eine Uhr zu laufen beginnen würde. Das Gebäude­energie­gesetz (GEG) gibt neuen Eigentümern älterer Ein- und Zweifamilienhäuser nämlich exakt 24 Monate Zeit, drei Nachrüst­pflichten umzusetzen: Erstens muss die oberste Geschossdecke oder alternativ das Dach so gedämmt werden, dass ein Mindestwärmeschutz gewährleistet ist. Zweitens verlangt das Gesetz eine Wärmedämmung aller frei liegenden Heiz- und Warmwasserleitungen in unbeheizten Räumen. Drittens muss jeder Konstant­temperatur-Kessel, der sein dreißigstes Betriebsjahr überschritten hat, außer Betrieb genommen werden. Versäumt man eine der drei Vorgaben, drohen Bußgelder von bis zu 50 000 Euro.


2 Mindeststandard und Förderstandard sind nicht identisch

Schon bei der ersten Lektüre der Gesetzes­texte stellten Sabine und Tom fest, dass das GEG niedrigere Anforderungen stellt als die Förderprogramme. Für die Dämmung der obersten Geschossdecke genügt dem Gesetz ein Wärmedurchgangs­koeffizient (U-Wert) von 0,24 W/(m²·K). Die Bundesförderung für effiziente Gebäude – genauer: das Zuschussprogramm für Einzelmaßnahmen beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) – setzt die Latte sehr viel höher: Nur wenn der U-Wert auf 0,14 W/(m²·K) oder besser sinkt, werden 15 Prozent Zuschuss gewährt. Genau dieselbe Logik gilt beim Heizungstausch. Ein neuer Gas-Brennwert­kessel erfüllt zwar die gesetzliche Pflicht, löst aber keinerlei Zuschuss aus. Erst der Umstieg auf ein erneuerbares System wie eine Wärmepumpe schaltet echte Fördersummen frei.


3 BAFA, KfW und die Wege zum Geld

BAFA und KfW sind die zwei Hauptadressen für staatliche Unterstützung:

  • BAFA ist eine Bundesbehörde. Sie vergibt reine Zuschüsse für Einzelmaßnahmen an der Gebäude­hülle – Dächer, Fassaden, Fenster – sowie für Rohrdämmungen. Der Grundfördersatz beträgt 15 Prozent der förderfähigen Kosten. Wird die Maßnahme Bestandteil eines individuellen Sanierungs­fahrplans, erhöht ein Bonus den Zuschuss auf 20 Prozent.

  • KfW ist eine staatliche Förderbank. Für komplette Effizienzhaus­pakete stellt sie zinsgünstige Kredite bereit; für den Heizungstausch mit erneuerbaren Energien bietet sie seit 2024 das Zuschussprogramm 458. Dort gibt es 30 Prozent Basis­förderung plus 20 Prozent Klima­geschwindigkeits­bonus, sofern ein mindestens zwanzig Jahre alter Öl- oder Gaskessel frühzeitig ersetzt wird. Zusammen summieren sich beide Komponenten auf 50 Prozent Zuschuss.


4 Der Energie­effizienz-Experte als Pflicht­partner

Kein Förderantrag funktioniert ohne einen Energie­effizienz-Experten (EEE). Der EEE vermisst den Ist-Zustand des Gebäudes, ermittelt U-Werte, dokumentiert die Heiz­technik und erstellt daraus den individuellen Sanierungsfahrplan (iSFP). Dieses Dokument gibt nicht nur eine sinnvolle Reihenfolge der Maßnahmen vor, sondern öffnet auch den fünfprozentigen iSFP-Bonus beim BAFA. Die Hälfte des Beraterhonorars übernimmt bereits der Staat.

Auch ohne Sanierungsfahrplan ist ein Energieeffizienz-Experte (EEE) Pflicht, weil er für alle BEG-Einzelmaßnahmen die technischen Nachweise liefert: Vor dem Antrag erstellt er die Technische Projektbeschreibung (TPB) mit zugehöriger TPB-ID, ohne die sich das BAFA-Formular nicht absenden lässt; nach Fertigstellung bestätigt er per Technischem Projektnachweis (TPN) bzw. bei KfW-Programmen per „Bestätigung zum Antrag/ nach Durchführung“, dass U-Werte, Dämmstärken oder Jahresarbeitszahlen tatsächlich erreicht wurden. Erst mit diesen Dokumenten zahlt BAFA / KfW den Zuschuss aus – der EEE ist damit grundlegende Fördervoraussetzung, während der iSFP lediglich einen Zusatzbonus bringt.


5 Von der Pflicht zur geförderten Sanierung – Schritt für Schritt

Nach dem iSFP entschieden sich Sabine und Tom, jede Pflicht etwas besser als vorgeschrieben zu erfüllen:

  • Dachboden – Statt der geforderten 14 Zentimeter Mineralwolle bliesen sie 24 Zentimeter ein. Kosten: rund 6 400 Euro, davon 20 Prozent Zuschuss. Der U-Wert sank auf 0,14 W/(m²·K), der Gasverbrauch spürbar.

  • Rohrdämmung – Für die 28-Millimeter-Leitungen montierten sie 30 Millimeter Elastomerhülsen. Material samt etwas Profi-Zeit: 1 200 Euro. Auch hier flossen 20 Prozent Förderung zurück.

  • Heizung – Ein Gas-Brennwertkessel hätte zwar die GEG-Pflicht erfüllt, doch ohne Förderung. Die Wahl fiel daher auf eine Luft/Wasser-Wärmepumpe für 30 000 Euro. Weil der Alt­kessel älter als zwanzig Jahre war, griff neben der 30-Prozent-Basisförderung der Klima­bonus: Insgesamt 15 000 Euro Zuschuss.


6 Förder­anträge und Timing

Das wichtigste formale Prinzip lautet „erst Antrag, dann Auftrag“. Alle Unterlagen müssen bei BAFA oder KfW eingereicht und bewilligt sein, bevor ein Handwerker beginnt. Sabine und Tom unterschrieben ihre Angebote daher immer „unter aufschiebender Bedingung“ – die Arbeiten starteten erst nach schriftlicher Förderzusage.


7 Ergebnis nach zwei Wintern

Neun Monate vor Ablauf der gesetzlichen Frist waren alle Rechnungen bezahlt und sämtliche Zuschüsse eingegangen: mehr als 17 000 Euro. Gleichzeitig sanken die jährlichen Energie­kosten um über 2 000 Euro. Die zusätzlichen Ausgaben, die über eine reine GEG-Pflicht­erfüllung hinausgingen, amortisieren sich in weniger als fünf Jahren.


8 Lehren für andere Käufer

Erstens: Das gesetzliche Minimum ist nicht das wirtschaftliche Optimum. Zweitens: Ohne Energie­effizienz-Experten läuft kein Antrag. Drittens: Wer die Reihenfolge iSFP → Antrag → Auftrag beachtet, verwandelt eine strenge Frist in einen hoch geförderten Modernisierungs­pfad – nachvollziehbar für jeden, der ein älteres Haus in ähnlicher Ausgangslage energetisch zukunftsfähig machen möchte.